Insolvenzrecht:
Die Möglichkeit zum fresh start
Verbraucherinsolvenzverfahren
und Kleinverfahren:
Diese gerichtlichen Verfahren zur Entschuldung privater Haushalte
und von Kleinunternehmern mit Hilfe der Restschuldbefreiung haben
sich bei knapp über 100.000 pro Jahr eingependelt. Das Verfahren
liegt im Interesse aller Beteiligten: für den Schuldner ist
wieder ein Neuanfang möglich (fresh start so
nach US-amerikanischer Auffassung der Sinn des Insolvenzverfahrens
und der Restschuldbefreiung). Aber auch die Gläubiger haben
langfristig mehr davon, wenn die Schuldner am Erwerbsleben wieder
vollwertig teilnehmen und neue Verbindlichkeiten ganz erfüllen
können. Wünschenswert wäre eine größere
Mitwirkung vor allem der Großgläubiger, z.B. Banken,
Versicherungen oder Leasingunternehmen, bei der Aufklärung
über die Möglichkeiten der Insolvenzordnung (Sanierung
und Restschuldbefreiung).
Leider ist festzustellen, dass sich immer noch das Gerücht
hält, Private oder Kleinunternehmer könnten kein Insolvenzverfahren
mit Restschuldbefreiung anstrengen. Hier wird Unkenntnis aufrechterhalten
mit der kurzatmigen Erwartung von Zahlungen der Schuldner. Erfolgversprechender
wäre es, wenn sich in Gläubigerkreisen die Erkenntnis
durchsetzt, dass ein Neuanfang des Schuldners auch für die
Gläubiger in der Zukunft lukrativer ist, als uneinbringlichen
Forderungen jahrelang hinterherzulaufen. Dies verursacht nur weitere
Kosten, mit deren Bezahlung die Gläubiger nicht rechnen können.
Für die hohe Zahl überschuldeter Privathaushalte und
Kleinunternehmer in Deutschland ist darauf hinzuweisen, dass die
Gläubiger wegen falscher Angaben der Schuldner im Insolvenzverfahren
zunehmend Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen.
Kooperation empfiehlt sich daher für alle Beteiligten.
Bei vielen Verfahren
ist nach § 305 Insolvenzordnung die Durchführung eines
außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs Voraussetzung
für einen zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung.
Ob dies bei Ihnen auch der Fall ist, sagt Ihnen der Fachanwalt.
Unternehmensinsolvenzen:
Seit Ende der Finanzkrise ist ein Rückgang zu verzeichnen.
Die Unternehmensinsolvenzen bewegen sich aber weiterhin bei rund
30.000 pro Jahr. Im Umfeld der Insolvenzeröffnung ist festzustellen,
dass die Kooperation des Managements mit Insolvenzgericht und
Insolvenzverwalter oft zu wünschen übrig lässt,
so dass es zu Betriebsstilllegungen kommt. Diese wären vermeidbar.
Sanierung und Fortführung, wie sie das grundsätzliche
Ziel der Insolvenzordnung sind, wären oft möglich, wenn
alle Seiten vertrauensvoll zusammenarbeiten würden. Nach
der Rechtsprechung ist ein offenes Zusammenwirken von Insolvenzgericht,
Insolvenzverwaltung, Geschäftsführung und Steuer- oder
Wirtschaftsberatern erforderlich, um ein Unternehmen auch in der
Insolvenz zu erhalten. Hier könnten mehr Arbeitsplätze
gerettet werden (die Erhaltung der Arbeitsplätze ist übrigens
nach Vorstellung des französischen Gesetzgebers der Hauptzweck
des Insolvenzverfahrens). Die Insolvenzordnung stellt für
die Fortführung eines Unternehmens zahlreiche Instrumente
bereit: neben der übertragenden Sanierung, dem klassischen
Instrument, vor allem den Insolvenzplan. Der Insolvenzplan soll
die Fortführung des alten Unternehmens ohne dessen Liquidation
ermöglichen. Das Insolvenzplanverfahren ist nach wie vor
weitgehend unbekannt. In diesem Bereich liegen noch viele Chancen,
die es zu nutzen gilt. Durch das sog. ESVG wurden Ende 2011 diese
Möglichkeiten erweitert: nun ist auch ein Tausch von Gläubigerforderungen
gegen Anteile am neuen Unternehmen möglich (dept-eqity-swap).
Beratung:
Im Vorfeld der Unternehmensinsolvenz kann eine frühe Rechtsberatung
strafrechtliche und haftungsrechtliche Risiken für das Management,
die in den letzten Jahren zugenommen haben, ausschalten. Es sind
insbesondere die persönliche Haftung der Geschäftsführer
für rückständige Sozialversicherungsbeiträge
oder Steuern zu erwähnen; aber auch eine Haftung gegenüber
den Gläubigern ist denkbar. (§ 64 GmbH-Gesetz und §
15a InsO)
Fazit:
Für überschuldete private Haushalte, für Kleinunternehmer
und Einzelkaufleute, aber auch für größere Unternehmen
mit Liquiditätsengpässen lohnt sich eine frühe
Beratung zur Insolvenzordnung und benachbarten Gesetzen. Hier
können sich neue Perspektiven auftun.
Ernest Pirkl
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